Selamat Datang di Indonesia

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Sabrina und ich hatten den Wecker für 5:45 Uhr gestellt. Wir wollten eigentlich schon vor Sonnenaufgang los und uns ein Platz in der Schlange im Impfzentrum sichern. Wir hatten schon von mehreren Personen gehört, dass dort täglich nur eine bestimmte Anzahl von Menschen geimpft wird. Wer zu spät kommt hat Pech gehabt. Sabrina hatte ein paar Probleme mit der Uhrzeit und drehte sich noch ein paar mal um. Wir haben dann noch ein bisschen rumgetrödelt und sind schließlich erst um halb 8 losgefahren, was sich wie wir später herausfanden, schonend auf unsere Nerven auswirkte.

Von Sabrina's Freundin wussten wir von den Straßenblockaden die zwischen uns und dem Impfzentrum errichtet wurden. Ironischerweise wird man dort nur durchgelassen wenn man bereits geimpft wurde. Wir mussten also durch ein paar Gassen und "Abkürzungen" fahren um die "Polisi" zu umgehen. Wir waren erfolgreich und sind direkt hinter der Kontrolle wieder auf die Hauptstraße gekommen und konnten weiter fahren. Die Temperatur war morgens noch super angenehm und durch die neuen Hygeneregeln waren die Straßen auch ziemlich leer und wir konnten recht zügig durch Denpasar zu unserem Ziel fahren.

Wir mussten nicht lange nach dem Zentrum suchen weil es sich bereits durch 500 Meter parkende Roller in beide Richtungen angekündigt hatte. Als wir zum Eingangstor kamen wurde es von 4 Polizisten bewacht und es sah so aus als würde niemand mehr durchgelassen. Sabrina fragte ein paar wartende Einheimische was los wäre. Sie erklärten, dass sie schon seit 3 Uhr warteten um eingelassen zu werden, und dass schon über 300 Menschen im Zentrum wären. Allerdings sahen wir ein paar Ausländer die einfach reingelassen wurden. Daraufhin erklärte Sabrina den Wachmännern, dass ich mich impfen lassen will und wir durften durch.

Nach dem Tor mussten wir zunächst circa 50 Meter durch einen kleinen Gartenweg laufen bis wir dann am Impfplatz angekommen waren. Dort standen hunderte Menschen dicht aufeinander gepresst in einer 10 Meter breiten und vielleicht 40 Meter langen Schlange. Um die Schlange herum waren kleinere Wiesen auf denen ebenfalls Leute standen und warteten. Ich sah ein paar Ausländer und fragte sie ob sie wissen was hier los ist und wie das hier funktioniert. Es war mittlerweile kurz nach 8 und das Impfen hätte eigentlich um 8 Uhr anfangen sollen. Niemand mit dem ich Sprach hatte irgendeinen Plan. Allerdings wurde uns Ausländern immer wieder gesagt wir sollen uns nicht in die normale Schlange stellen sondern vor einem Hintereingang warten. Glück gehabt.

Der Hintereingang führte zu einem mit Zäunen abgegrenzten Bereich der provisorisch überdacht war. Dort wurde sich gerade auf die Impfung vorbereitet. Gekühlte Koffer wurden aufgeklappt, Kittel und Masken angezogen und alle Tische und Stühle desinfiziert.

Die Sonne erreichte eine Höhe in der sie nicht mehr von den Nachbargebäuden abgehalten wurde. Der Platz wurde mit Sonnenstrahlen geflutet und es wurde augenblicklich super heiß. Statt vor dem sonnigen Hintereingang zu warten ging ich einige Meter zu Sabrina zurück und überblickte von da die Lage.

Am Ende der indonesischen Schlange standen Soldaten mit Automatikgewehren und Camouflage, Springerstiefeln und Sonnenbrille. Die Schlange drückte sich immer näher zusammen und sah vom Rand des Zauns aus wie die erste Reihe eines Justin Bieber Konzerts. Das Gefiel den anwesenden Offiziellen nicht und so wurde immer wieder versucht das ganze aufzulösen oder zumindest zu verdünnen. Mit Lautsprechern wurde versucht auf die Masse einzureden und sie voneinander zu trennen. Das klang ziemlich oft wie in einem Fußballstadion. Die Frau am Mikrofon fragte die Masse ob sie geimpft werden wollen und die Masse schrie euphorisch ja. Die Offiziellen drohten bis 10 Uhr, dass die Impfung heute abgebrochen wird wenn sich die Schlange nicht weiter ausbreitet und das Hygieneprotokoll eingehalten würde. Bis dahin wurde keine einzelne Dosis verabreicht und die Masse schien sich nicht wirklich zu bewegen. Jeder wollte der erste sein oder zumindest heute geimpft werden. Von anderen Einheimischen erfuhren wir, dass sie schon seit einer Woche jeden Morgen um 4 Uhr erschienen um an eine Dosis zu kommen. Es war also sehr schwierig die frustrierte Menge zu motivieren sich nicht nach vorne zu drängeln.

Irgendwann wurde ausgerufen, dass wenn man noch keine Nummer gezogen hätte, man heute nicht geimpft werden würde. Das sollte allerdings vorerst nur für Einheimische gelten. Die Ausländer sollten noch da bleiben. Daraufhin gab es laute Ausrufe und die Frustration ging wie ein Welle durch die Menge. 15 Minuten später waren zwei drittel der Menschen nach Hause gegangen und die Schlange war endlich dünn genug um die Prozedur fortzusetzen. Ich konnte nicht genau sehen wie es dann weiter ging aber es schien als würden immer nur 10 Personen zum Impfen gelassen. Das sah vernünftig aber ziemlich langsam aus.

Jetzt wurde uns Ausländern Zeit gewidmet. Ich würde schätzen, dass wir insgesamt 50 Leute waren die auf Klarheit von den Offiziellen gewartet hatten. Eine kleine kräftige Frau kam selbstbewusst auf uns zu und bat um sie herum einen Kreis zu bilden, uns hinzusetzen und dabei selbstverständlich die Regeln einzuhalten. Sie war schwer zu verstehen weil es sehr laut auf dem Platz war und wir ja alle weit voneinander weg stehen mussten. Manchmal fing jemand an indonesisch mit ihr zu sprechen woraufhin ein französisches Mädchen sie immer wieder ermahnte doch bitte englisch zu sprechen, dass es alle verstehen können.

Sie fing an davon zu sprechen wie wunderbar es ist, dass wir so vielzählig erschienen sind um uns impfen zu lassen. Danach sagte sie, dass es bis Gestern noch möglich gewesen wäre sich mit einem Flugticket und einem Reisepass impfen zu lassen. Das wäre ab heute allerdings anders. Darauf war ich nicht vorbereitet. Von dem Flugticket hörte ich zum ersten mal und war gespannt was sie sonst noch zu sagen hatte. Sie fuhr fort und kündigte an, dass sie je nach Zielland des Tickets verschiedene Impfstoffe (AstraZeneca und Sinovac) da hätten um die Einreise zu vereinfachen. Allerdings könne sie nicht garantieren ob wir heute alle geimpft werden könnten. Sie empfahl uns in in Kimia Pharma Apotheken zu gehen und uns den Impfstoff dort selbst zu kaufen. Darauf meldeten sich einige Ausländer zu Wort und sagten, dass sie dort bereits abgewiesen wurden und dort keinen Impfstoff kaufen dürften.

Andere argumentierten, dass sie dafür rund 50 € zahlen müssten und hier gäbe es den Stoff umsonst. In Anbetracht der Tatsache, dass man von Canggu (woher 80 % der Ausländer kamen) aus über eine Stunde zum Zentrum fahren muss und alle schon mindestens 3 Stunden in der prallen Sonne warteten klang das für mich nach einer ziemlichen Milchmädchenrechnung. Aber jeder wie er will.

Ein weiterer Mann meldete sich zu Wort und sagte, dass er bei bereits 6 von der Regierung organisierter Impfveranstaltungen war und immer noch nicht geimpft werden konnte. Ein Dritter Mann meldete sich und zeigte der Dame, dass sein Reisepass übermorgen auslaufen würde und er echte Probleme bekäme wenn er nicht geimpft werden könne um rechtzeitig das Land zu verlassen. An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass man in Indonesien nur noch fliegen darf wenn man bereits geimpft wurde. Das bedeutet auch, dass man das Land nicht mehr ohne Impfung verlassen kann weil man von Bali aus erst nach Jakarta fliegen muss um einen internationalen Flug zu bekommen.

Sie kündigte an, dass sie nach den Fragen die Regierung anrufen werde und sich um unsere Probleme kümmern wird. Sie bat uns 2 Stunden auf diesem Platz zu warten bis sie Antworten für uns hätte. Ich fragte die Dame ob kein Flugticket keine Impfung bedeutet. Sie bejahte. Ich fragte sie nach einer anderen Möglichkeit mich hier impfen zu lassen weil ich ja vorhabe zu bleiben. Sie sagte ich solle 2 Stunden warten.

Also warteten wir. Es wurde skurril. Immer wenn jemand versuchte in der indonesischen Schlange vorzudrängeln ging das Geschrei los und die Drängler wurden von den Soldaten wieder zurückgewiesen. Während die Indonesier in der prallen Sonne in der Schlange standen um auf ihre Impfung zu warten breiteten ein paar blonde Mädchen Picknickdecken aus um zu frühstücken und in der Sonne zu baden. Der Teil des Geländes sah langsam wie ein kleines Festival aus. Einheimische Verkäufer kamen hinzu und verkauften (warme) Wasserflaschen und mehr.

Im Gespräch mit einem Russen wurde ich darauf hingewiesen mir schnell ein Flugticket zu fälschen um hier eventuell noch geimpft werden zu können. Er zeigte mir eine Website auf der man sich kostenlos gefälschte Flugtickets herunterladen konnte. Um die Wartezeit zu nutzen habe ich das natürlich gemacht und weiter mit Sabrina darauf gewartet, dass die 2 Stunden endlich ein Ende haben. Einige meiner Kameraden spekulierten darauf in dem ganzen Chaos heute einfach eine Dosis abzubekommen und danach wieder nach Hause zu fahren.

Zu unserer Überraschung dauerte es nur eine halbe Stunde bis die Frau wieder mit Antworten erschien. Dieses mal war sie mit einem Mikrofon bewaffnet und lotste uns vom Hintereingang zu dem Platz wo 2 Stunden vorher noch hunderte von Menschen in der Schlange standen. Dort sah es nun aus wie nach einem Festival. Es war schmutzig und überall lagen Plastikflaschen und Verpackungen.

Sie fing nochmals damit an wie großartig es sei, dass wir so zahlreich erschienen sind. Danach kündigte sie an, dass während in Indonesien PPKM gültig sei, Ausländer nicht geimpft werden würden. Das warf natürlich viele Fragen auf. Zunächst wollten einige wissen was denn überhaupt PPKM sei, worauf andere anfingen zu lachen. Um es kurz zu machen rief jemand ein "Lockdown" worauf die Frau erwiderte das wir ja nicht im Lockdown sind aber der notwendige Groschen ist danach für alle gefallen. Danach wurde gefragt wie man denn das Land verlassen soll wenn man nicht geimpft werden kann aber man gleichzeitig nur in ein Flugzeug gelassen wird wenn man bereits geimpft ist. Sie dachte kurz nach und erwiderte, dass man am Flughafen jetzt keine Impfung mehr bräuchte. Das wurde von allen Seiten bezweifelt aber viele mussten sich damit wohl zufrieden geben und es riskieren morgen oder übermorgen einen Flug ohne Impfung zu bekommen. Wir können nur hoffen, dass das Flughafen personal über diese doch relativ kurzfristige Änderung aufgeklärt wird.

In der Zwischenzeit kam ein Indonesier vorbei und rief der Frau mit dem Mikrofon auf Indonesisch spotthaft zu sie solle die Weißen nicht zu lange in der Sonne braten lassen. Das sei nicht gut für sie. Woraufhin sie schmunzelnd entgegnete, dass wir ja nach dieser Veranstaltung hier wieder nach Hause fliegen. Sabrina musste lachen.

Ich rief ein was denn passieren würde wenn PPKM verlängert werden würde und sie erwiderte, dass man das dann sehen müsste. Sie empfahl uns nach PPKM noch mal in private Krankenhäuser und Kimia Pharma zu gehen um dort erneut nach dem Impfstoff zu fragen.

Ich hatte damit gerechnet, dass diese Neuigkeiten bei meinen ausländischen Kameraden zur Empörung führen würden aber irgendwie nahm es jeder ganz gut auf. In den Gesprächen danach wurde noch viel mit den Achseln gezuckt und gesagt, dass wir eben in Indonesien sind und man diese Art von Organisation einfach schon gewohnt ist.

Ich gab mich mit dem was die Frau sagte ebenfalls erstmal zufrieden. Für mich heißt das erstmal, dass ich heute nicht geimpft werde. Ich glaube allerdings nicht, dass wir tatsächlich warten müssen bis PPKM vorbei ist. Die Situation und Regeln ändern sich hier täglich und wenn ein Problem durch eine neue Regel aufkommt, dann wird es meistens zügig durch eine andere Regel gelöst bis neue Probleme auftauchen.

Für mich ist das erstmal in Ordnung so. Ich würde mich zwar gerne unverzüglich impfen lassen aber ich muss mich wohl noch ein bisschen gedulden bis die Regierung ausgearbeitet hat wie sie mit den verbliebenen Ausländern umgehen möchte. So wie ich Indonesien kenne werde ich nicht lange auf die Lösung warten müssen. Was mir im Moment allerdings nicht gefällt ist, dass meine Bewegungsfreiheit im Moment stark eingeschränkt ist, weil ich in bestimmte Bereiche wie Strände und ganze Teile der Insel nicht gelassen werde weil ich noch nicht geimpft wurde und im Moment auch nichts dagegen tun kann. Da ich aber im Moment sowieso die meiste Zeit Zuhause bin weil die Geschäfte und Restaurants geschlossen sind ist das definitiv hin­nehm­bar.

Sabrina hat mir heute nicht erlaubt Fotos oder Videos vom Geschehen zu machen weil sie ein bisschen eingeschüchtert von den ganzen Soldaten und Polizisten war. Ich habe auf sie gehört und nur das letzte Gespräch mit der Dame aufgezeichnet.